PageList2

PageList1

Sonntag, 8. Juli 2012

Jeany

Jeany ist eine kleine, hübsche, getigerte Katze, die hier gemütlich auf dem Boden liegt und in die Kamera guckt.
Jeany war eine Katze.

Meine beste Freundin holte sie an meinem 21. Geburtstag aus dem Tierheim und brachte sie zu mir. Gegen meinen Willen. Ich sollte Verantwortung tragen. Mich nicht einfach töten können. Da sollte noch wer sein, der mich braucht. Oder war es andersrum ?

Ich wollte nicht mal Pflanzen. Eine Freundin schenkte mir aber einen Kaktus. Den hatte sie mit Lack gepunktet, damit er für mich sichtbar etwas besonderes war. Der Lack ging ab, die Punkte blieben. Kaktinus Punktus nannte ihn ein Schild, das in der Erde steckte. Das Ding wucherte wie blöd. Blühte aber nie. Aber er war etwas besonderes, der einzige seiner Art.

Jeany war mir sehr ähnlich. Viel schöner, wahrlich bezaubernd, aber sonst ähnlich. Sie war sensibel, leicht eingeschnappt, schlau, geschickt und sie redete gern. Sie war eine kleine Katze, auch ausgewachsen noch. Aber das nur äußerlich. Einmal jagte sie nachts eine dreimal so große Katze wie sie selbst war aus dem Haus, nachdem sie einige Tage geduldig versucht hatte, sich mit diesem egozentrischen Brocken zu arrangieren, den ich aus Mitleid mitgebracht hatte.

Jeany kratzte mich nur einmal, ganz am Anfang. Ich sagte ihr, dass ich das nicht mochte, ja sogar hasste und dass sie gefälligst ihre Krallen eingefahren halten sollte, wenn sie mich berührte. Das tat sie fortan. Andere zerfleischte sie hemmungslos. Sie ging auch nie auf den Küchentisch, weil sie nicht sollte. Überhaupt ließ sie alles, was sie grad tat sofort sein, wenn ich leise, aber bestimmt "na, na, na" sagte. Mit der Antwort "meck, meck, meck", tat sie dann ihren Unmut kund. Manchmal hörte es sich auch an, als würde sie mich nachäffen. Übersetzt hieß das dann wohl "blöde Kuh".

In der ersten Nacht -sie war noch klitzeklein- schlief sie auf meinem Hals und schnurrte unermüdlich eine Symphonie der Vibrationen. Täglich einmal hatten wir ein Milchtritt-Meeting. Am liebsten nutzte sie dafür meinen Oberkörper und starrte mir dabei fest und wirr in die Augen. Diesen Blick steigerte sie einige Monate später noch, als sie anfing auch zu markieren. Ja, sie war eine der wenigen weiblichen Katzen, die das tun. Damals fand ich das furchtbar. Es nahm auch regelrecht überhand. Heute stimmt es mich traurig, dass ihr Geruch mittlerweile fast völlig aus meinem Wassermann-Buch verschwunden ist.

Jeany musste bei mir als Wohnungskatze leben. Eines Tages kam ich nach Hause und meine Wohnungstür stand offen. Jeany hatte sie geöffnet. Von da an zog ich die Tür nie mehr zu. Jeanys Lieblingsplatz war auf dem Speicher: Ein Hocker, der direkt unter der Dachluke stand und auf den lange die Sonne schien. Sie besuchte aber auch gerne den Kater, der unter uns wohnte und erkundete den Keller. Theoretisch wusste sie auch die Fenster zu öffnen. Sie legte eine Pfote links unten und eine rechts oben an und drückte. Die Kraftübertragung reichte aber nicht aus.

Einmal kam sie von einem Ausflug nicht zurück. Tagelang suchte ich nach ihr, hängte Vermisstenanzeigen aus und war voller Sorge und Verzweiflung. Dann meldete meine Nachbarin: Jeany sitzt vor der Schreinerei im Hof und miaut in Richtung unserer Wohnung. Die lag im dritten Stock.

Jeany war einfach zu schlau, um mit Attrappen zu spielen. Wenn ich einen Gegenstand an einem Faden vor ihr hüpfen ließ, interessierte sie sich ausschließlich für die Verursachung und nicht für die Wirkung. Auch eine komplizierte Installation, bei der der Faden über mehrere Zimmer verlief und mit der ich aus der Küche heraus meiner Katze im Wohnzimmer vorgaukeln wollte, da bewege sich etwas selbständig, konnte sie nicht täuschen. Sie stand nach ein paar Sekunden in der Küche und fixierte bedrohlich die hinter meinem Rücken versteckte Hand, mit der ich am Faden zog.

An manchen Tagen lebten wir im Partnerlook: Passend zu ihren Augen trug ich dann ein russischgrün gefärbtes Sweatshirt und wusch mir die Haare, damit sie ein bisschen mehr so frisch aussahen, wie die ihren. Ich streichelte Jeany dann besonders viel, war stolz auf uns und wir beide waren sehr zufrieden.

Als meine Freundin und ich nach Köln zogen, konnten wir Jeany nicht mit in unsere Wahlwohnung nehmen. Wir trennten uns von ihr und gaben sie einer Freundin. Es riss uns das Herz aus dem Leib, aber wir taten es. In den Tagen vor der Abgabe, war Jeany ein nervöses und kränkelndes Häufchen Elend. Ab dem Zeitpunkt, da sie eindeutig weggegeben war, sah Jeany mich nie mehr an, wenn ich sie besuchte.

Recht hatte sie. Wie konnten wir annehmen, dass so etwas Grausames eine Wahlmöglichkeit sein konnte ?

Für alle, die ihr Tier nicht verlassen, aber auch auf eine geeignete Wohnung nicht verzichten wollen: Checken sie die aktuelle Rechtslage. Die ändert sich schon mal. Im Moment ist es so, dass die Haltung von Kleintieren zunächst mal erlaubt ist und dass anderslautende Mietvertragsinhalte ungültig sind. Ob eine Katze als Kleintier gesehen wird oder nicht, ist allerdings interpretierbar. Einschränkend können Besonderheiten in  der Nachbarschaft wirken. Jemand mit einer Allergie gegen Tierhaare z.B. ist ein anerkannter Grund, ihnen eine Tierhaltung im gleichen Haus zu verbieten. Auch Krach, der durch Revierkonkurrenz entstehen könnte, kann zum Verbot führen, usw... Aber einfach so aus Prinzip kann die Haltung nicht untersagt werden.

Ute Ziemes, privat.utez.de,

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen