A. war mein gleichaltriger engster Freund im Vorschulalter. Er wohnte um die Ecke schräg gegenüber. Wir bewegten uns auf zweieinhalb Straßen, einem Spielplatz und einem Schulhof und waren meist unbeaufsichtigt. Wir spielten im Sand, kletterten, sprangen, ärgerten/flirteten mit Schulmädchen, kauften - wenn einer von uns mal ein paar Pfennige hatte - im Kiosk eine Tüte Süßes für uns, lernten gemeinsam von einem großen Jungen erste Lektionen im Fußball, fuhren Roller/Rad miteinander und erkundeten irgendwann auch gemeinsam ein paar Straßen, die an das Gebiet angrenzten, in dem wir uns sicher fühlten. Wir sprachen da Passanten an und erzählten denen stolz und als wären wir Globetrotter, dass wir ganz woanders wohnen würden und erstmals ganz alleine bis dort vorgedrungen seien. Wir bekamen netterweise viel Anerkennung dafür.
Ich erinnere mich an einen tollen Traum, in dem A. und ich nebeneinander durch unsere Straßen ritten.
Ich erinnere mich auch an einen Streit, als ich früher als A. nach Hause musste und er verärgert war, dass ich ihn verließ. Das endete in schlimmen Beschimpfungen, bei der A. mich Ziege nannte und ich ein Wort aussuchte, das zu seinem Nachnamen passte. Am nächsten Tag holte er mich aber wieder ab und alles war wieder okay. Da war ich sehr froh drüber.
Umgekehrt war ich mal enttäuscht, weil er mich stehen ließ, weil sein Vater kam und ihm anbot, ihn für eine Runde in seinem Auto mitzunehmen. (Autos waren damals selten.) Ich fand doof, dass er mich sofort vergaß und nicht mitnahm.
Als einmal ein großer Junge sich mit uns unterhielt, der gerade ein Mini-Klappmesser aus einem Kaugummiautomaten gezogen hatte und er merkte, dass wir beide ganz heiß auf das Messer waren, warf er es auf dem Spielplatz, der komplett mit viel frischem Sand aufgefüllt war, weit hinter sich und sagte, dass der, der es finden würde, es behalten könnte. Wir suchten, jeder für sich, wie besessen. Schließlich fand A. das Messer. Die Konkurrenzsituation hatte in mir schon negative Gedanken befördert, die Enttäuschung konkretisierte nun einen, nämlich den, dass A. das Messer sicher selbstverständlich einstecken und mir niemals zum Spielen geben würde und, dass A. egoistisch wäre. - A. aber schaute sich freudig das Messer an, schaute mich an, reichte mir das Messer und sagte: "Du kannst es haben. Ich schenke es dir." - Ich war zutiefst beschämt. Alles Negative, das ich A. in meinen Gedanken unterstellt hatte, war eigentlich in mir und dann noch die negativen Gedanken selbst obendrein.
Im Alter von sechs Jahren bin ich weggezogen, weshalb die Freundschaft zwischen A. und mir ihr Ende fand.
Ute Ziemes, privat.utez.de,
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