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Montag, 4. Januar 2016

Kunstverstand (1979/1980)

Als ich jung war, ging mein Rudel in eine ländliche Kunstausstellung.

Nicht, dass ich gewusst hätte, worum genau es sich handeln würde und auch den Grund für das Interesse, das zu diesem Ausflugsziel führte, kannte ich nicht. Ich ging einfach mit. Bei Rudelausflügen hatte ich meist am Ende mindestens einen kleinen Erlebnisfisch im Netz. Das war mein Motiv.

Der Künstler hatte regionale Landschaftsausschnitte mit Ölfarbe auf Leinwand gemalt. Und zwar, wie üblich altbacken. Das war's ich hätte gehen können. Aber das Rudel blieb. Irgendein Leittier hatte da wohl was zu tun. Sicher ging's um Kumpelei oder Liebe. Ich musste mich beschäftigen.

Also guckte ich mir mal Ölbilder aus der Nähe an. Dieses Ölzeugs bestand aus so einer ehemals breiigen Pampe, die wohl lange gebraucht hatte, bis sie trocken war. Am liebsten hätte ich sie mal angefasst, aber ich durfte das Bild sicher nicht berühren, also bemühte ich umso mehr meine Augen und Nase, um mit ihnen auch zu fühlen. Die Masse war dick, ja manchmal sogar als Haufen, als scheinbar chaotisch vielfarbiger Haufen aufgetragen. Das hatte ich von weitem gar nicht sehen können. Von dort aus erschien mir die Stelle flach und sah aus wie eine einzige Farbe. Das war verblüffend. Wie konnte der Hersteller ahnen, wie das auf Entfernung wirken würde und wie konnte er es ...

"Entschuldigen Sie, Sie scheinen davon etwas zu verstehen, ...", sprach mich jemand erwartungsvoll von der Seite an. Als ich aufsah, erkannte ich den Maler höchstpersönlich. Er hatte seine gut situierten Gönner einfach mitten im Gespräch am anderen Ende des Raumes stehen lassen. Er war es leid nur kultiviert zu plänkeln, mit den immer gleichen Liebtuern. Er brannte darauf, sich endlich mal wirklich auszutauschen, mit einer Expertin, einer Eingeweihten, einer Werterkennerin, einer Seherin. Ich schien seine Rettung zu sein.

Tja, was soll ich sagen ... Ich war sehr jung, ich war klein, ich war arm, ich stand da in gehobener Atmosphäre quasi in Lumpen, ich hatte von nichts eine Ahnung und fühlte mich von einem glitzernden Fisch gebissen.

Ute Ziemes, privat.utez.de,

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