Samstag, 9. Januar 2016

Die Sensenfrau (2003)

Heute hatte ich Spaß am Sensen-Einkauf. (So eine große, wie der Tod sie bei sich trägt.)
Im Baumarkt sprach ich einen Kunden an, einen älteren Mann:
"Entschuldigen sie, sie sehen aus, als hätten sie Lebenserfahrung. Haben sie vielleicht schon mal mit einer Sense gearbeitet und können mir sagen, wie man sie halten muss ?"
Der Mann kannte sich toll aus und hat mir einen Schnell-Kursus gegeben. Wir haben den Baumarkt-Steinboden gemäht und das Sensenblatt mit einem imaginären Wetzstein scharf geschliffen.

Ob das aber nicht besser mein Mann machen sollte, fragte er noch. "Och, na ja", hab ich geantwortet.

Auf dem Weg nach Hause ist genau das eingetreten, was ich vermutet hatte. Ausnahmslos alle hatten Angst vor mir. Viele wollten sich empören, sahen dann aber, dass die Klinge von einer Schutzkappe umgeben war, fühlten sich dennoch weiterhin unbehaglich. - Hätte ich einmal damit geschwungen, dann hätten sicherlich alle aufgeschrien, selbst die Halbstarken.

Morgen wird damit gemäht.

Insgeheim stelle ich mir vor, wie ich mich mit meiner Sense selbständig mache, meine Mähdienste denen anbiete, die ihren Rasen haben zu hoch werden lassen. Als 'Sensenfrau vom Ihrefeld' wäre ich dann sicher schnell bekannt. - Das wäre ähnlich schön, wie der Straßenkehrer aus meiner Kindheit zu sein. - Und es gäb Geschichten zu mir, voll düsterer Fantasie. Auf jedem Mähstreifzug würde immer noch jemand verschwinden. Angeblich zumindest. So würde man sich erzählen. - Im Winter, wenn kein Gras mehr wächst, würde ich dennoch hin und wieder an der einen oder anderen Ecke mit meiner Sense auftauchen. Besonders abends. Das wäre ich den Leuten schuldig. - In meinem Arbeitszimmer ständ mein Computer und meine Sense und ein Schleifstein. In meinem Verwaltungsprogramm gäb es eine Rechnungsliste, eine Kundenliste und eine unbenannte Liste. Nach meinem Tod würde man sie entdecken und der Express würde schreiben:
"Sensenfrau vom Ihrefeld: Mysteriöse Liste gefunden"
Niemand aus Köln würde auf dieser Liste stehen. Man würde gar nicht wissen, wer die Leute sein sollen, die dort aufgeführt sind. Aber jeder, der wollte, würde einen bösen Verdacht hegen oder ihn sogar bestätigt sehen ... Bücher würden geschrieben, das Internet gespeist, Dokumentarfilme gedreht ...

Ich könnte also noch Geschichte machen.

Ute Ziemes, privat.utez.de,

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